Der Zauber ist zuende, die Saison kann beginnen

Werte Leserinnen und Leser,
wir wissen, dass einige von Ihnen schon mit von Fragezeichen gekerbten Gesichtern auf diesen Eintrag warten. Was ist passiert?
Laut der offiziellen Ansage bei der Nachtetappe von El Tarter ist gar nichts passiert. Nichts, außer dass vor dem Rennen unter den Mushern die Angst umgegangen doch ansonsten alles Bestens und ein weißer Traum sei. Erneut durften wir feststellen, dass zwischen Zirkuspublikum und Artisten die Kamera im Weg steht. Wurden bei anderen Rennen Banner von schneefreien Skigebieten geliefert und dem spanischen Fernsehzuschauer somit vorgegaukelt, dass die Etappe an einem anderen Ort stattfindet als dem tatsächlichen, so nutzten die kompetenten Damen und Herren der Öffentlichkeitsarbeit auch dieses Mal alle Hebel ihrer Maschinerie, um ein Schlittenhunderennen in Glanz und Glorie zu zeigen: Das Mikrophon der stets gut gelaunten, langbeinigen und schnellstsprechenden Moderatorin Gemma hielt sich sofort unter die grimmig schäumenden Mündern der Musher, während jene der Lautsprecher der Rennmoderation weit in der Ferne blieben. So wurden die ungehaltenen Schimpfereien der Hundeschlittenfahrer in das Nirwana der nie verwendeten Schnitt-fitzel verbannt, während der stets gut gelaunte Kommentator die gratis erhältliche heiße Hühnersuppe eines Sponsors anpries.
pirena_finishline
Doch wir sind der festen Überzeugung, dass Sie sich nicht nur für das chemische Zahnpastalächeln an die Umwelt, das kaltklare Mineralwasser aus den Pirenäen, die dünne Hühner- und Serranosuppe oder jegliches andere Produkt in und um Pirena scheren. Wir glauben fest daran, dass Sie hier lesen, da Sie an Hund und Mensch in diesem Rennen interessiert sind und waren.

trailbeschreibung
Im letzten Eintrag sprachen wir von sonnenden Hunden und einer wunderbaren Auspannzeit.. Leider waren diese Sonnenstunden die letzten schönen Momente dieses Rennens. Aus der gumppenbergischen Sicht ist Pirena 08 gelaufen. Aus der Traum vom Podium, vorbei der Kampf um Sekunden.
Gegen halb vier begaben sich Matze und Gregor zum Trail und fanden eine Eispiste vor. Als wir um sechs Uhr zum Musher Meeting kamen, war die Stimmung dann bereits dementsprechend aufgeheizt. Die Konkurrenz sprach von unbefahrbaren Eisstrecken und die Organisation schien diese Einschätzungen zu bestätigen und limitierte die Hundegespanne auf acht Hunde. Dazu wurden noch Ketten auf der Bremsmatte befohlen. Als der Race Marshall dann auch noch eine gute halbe Stunde zu spät das Musher Meeting einläutete, waren dreissig Musher bereits auf der Palme. Es sah so aus, als hätte sich die Mehrheit der Musher zu einem Abbruch des Rennens zusammen argumentiert, doch als die Stunde der Wahrheit schlug, schwieg alles. Da der Race Marshall jedoch nun, eine Stunde vor Rennbeginn, die Hundezahl jenes zweites Mal senkte (auf stolze sechs Hunde), und das, obwohl zu Beginn der Etappe eine steile Piste wartete, glaubten wir weiter an schlechteste Schneebedingungen und einen diabolischen Trail. So kam es, dass Gregor eine harte Entscheidung zu fällen hatte. Ganz egal wie er entschieden hätte, wäre die Entscheidung falsch gewesen, die Konjunktive hätten sich die Hand gegeben. Gregor entschied sich für etwas, was dem Laien vielleicht sonderbar vorkommen mag, vor allem wenn er das Adrenalin des Rennens und den Ehrgeiz und Siegeswillen des Mushers in Betracht zieht... Gregor entschied sich, seine Hunde nicht zu gefährden und lieber nicht zu starten, als den Schnee rot zu färben. Damit waren alle Ambitionen, dieses Rennen noch zu gewinnen, dahin. Doch genau auf diese Weise konnte unser Star seinen vierzehn Raketen mit bestem Gewissen in die Augen schauen.
Wie es sich im Lauf des Rennens herausstellen sollte, war dies eine Entscheidung, die zwar mit den vorhandenen Informationen perfekt kompatibel war, mit den tatsächlichen Bedingungen auf dem Trail leider in keinerlei Zusammenhang stand. Als die ersten Teams kopfschüttelnd einliefen und später der spanische Schönling mit Zornestränen und einem einzigen Satz (Das laufe ich mit verdammten zwanzig Hunden) jegliche Interviews verhinderte, wurde augenscheinlich, dass die Schneekatzen in den Stunden nach unserer Trailbesichtigung ganze Arbeit geleistet hatten, und die Befürchtungen wie die Gespannlimitierungen nicht mit den Gegebenheiten übereinstimmten.
Im Anschluss an diese nächtliche Eisesstunde hätte die Heimreise für manch einen sofort beginnen können. Doch warteten wir das Ende des Rennens ab, um sicher zu gehen, dass die befreundeten Teams von Carlo Locher, Carlos Franch und Tom Andres heil ins Ziel kamen.
mushermeeting_final
Dann verließen wir das stake out um am Camping Platz die Hunde ein letztes Mal rauszulassen. Anschließend Burger andorranischer Machart und eine frühe Nachtruhe für Matze und Gregor. Der Verfasser rauchte noch gemütlich die cubanische Siegerzigarre, beschaute den andorranischen Nachthimmel und kraxelte dann ebenfalls ins spartanische Hochbett.
nichtfahren
Kommen wir zum Ende unseres spanischen Abenteuers. Ein Abenteuer, das 5.000 Kilometer Autofahrt bei 61 Km/h Durchschnittsgeschwindigkeit und 17,9 Liter Diesel Durchschnittsverbrauch beinhaltete, oder anders gesagt: 80 Stunden laufender Motor. Klarerweise wäre auch das gumppenbergische Rennteam nicht ohne die tatkräftige Unterstützung von Wbpr hin und zurückgekommen. Dafür sind wir sehr dankbar. Und Sie stimmen sicherlich mit uns überein, dass die Stars dieses Abenteuers, jeder der vierzehn Alaskan hounds, nur deshalb ein „Happy Dog“ ist, weil er mit der Rennnahrung der gleichnamigen Hundefutterfirma eine ordentliche Grundlage hatte. Nimmt man die Kapazitäten in den Bereichen Motivation, Spielen, Streicheln, Massieren und Pfotenschmieren dazu, dann sind dies wohl alle wichtigen Zutaten, alles weitere sind Zusätze, die bei anderen Events wie etwa der Weltmeisterschaft in Italien in zwei Wochen irrelevant sein können.
wbpr
Folgendes war aus andorranischer Sicht als Ende dieses Blogs geplant und muss nun aus Münchener Sicht doch noch einmal deutlich revidiert werden:
„Morgen wartet die Heimreise. Es gilt wieder Autobahnen zu befahren statt Passstraßen, die Hunde auf Raststätten rauslassen statt an Gebirgsflüssen und konstant gen München zu fahren statt auf das nächste Treppchen.“
Es stimmt nämlich nicht, dass wir auf keine Pässe gefahren sind, es stimmt auch nicht, dass wir die Hunde nur an Raststätten rausgelassen hätten. Nein, damit sei nicht auf den Fakt verwiesen, dass wir auch mal die Autobahn ganz verlassen, um den Hunden die französischen Flüsse zu zeigen, sondern auf ein nächtliches Training in Vercors.
col_de_rousset
Denn das gumppenbergische Rennteam fuhr keineswegs mit hängender Rute gen Bavaria, nein, Gregor befand sich nach wenigen Kilometern bereits wieder im Training für die Weltmeisterschaft in Mitteldistanz in Italien. Und so rauschte ein Zwölfergespann mit Zweimann Besatzung unter einem gigantischen Sternenhimmel durch die französischen Voralpen. Der Weg dahin, dies war nicht nur irgendeine Passstraße. Engst und kurvenreich, mit niedrigen Tunneln versehen und kaum befahren, über malerische Höhen führte uns die stets beliebte Stimme der Navigationsdame auf dem kürzesten Weg zum Trail.
tunnel
Nach diesem nächtlichen Abenteuer ging es wieder runter auf die französische Mautobahn. Mit Müdigkeit, einer kurzen Schlafenspause und abwechselnden Fahrern durchdröhnte Wagen und Hänger die Nacht, durchquerte Frankreich und die Schweiz, nahm an einem grauen Vormittag ein Stück Österreich mit und erreichte gegen elf Uhr vormittags wohlbehalten die blau-weiße Hauptstadt.
silas
In einem ersten Rückblick bleibt bloß ein säuerliches Grinsen und ein Schulterzucken übrig. Pirena 2008, das wars. Ob dies für Gregor von Gumppenberg gleichviel heißt wie für Iker Ozcoidi und einige andere Musher („This is my last Pirena.“), dies wagen wir an dieser Stelle noch nicht zu prognostizieren. Doch es heißt, es gäbe sehr viele schöne Rennen mit guten Schneeverhältnissen und wenig Show und viel Inhalt an malerischen Orten dieser Welt... Es reihen sich Herden von Fragezeichen hinter jeglichen Gedanken an eine erneute Fahrt ins frühlingshafte Spanien, zu einem Mitteldistanz Rennen, das seinen Namen nicht gerecht wurde, bei dem fürs Fernsehen und die Sponsoren gefahren wird, aber kaum für die so häufig medial beschworene Umwelt- und Tierfreundlichkeit.
pokal

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